Warranty & Indemnity Versicherungen
Befeuert wird der M&A-Markt einerseits durch mehr als 200.000 Unternehmen, die kurz- und mittelfristig Nachfolgethemen lösen müssen, und andererseits viele Investoren – sowohl strategische aber vor allem Private-Equity-Investoren – die über hohe Liquidität oder Kapitalzusagen verfügen. Wie sich die damit verbundenen Risiken durch spezielle Versicherungspolicen mitigieren lassen und wie sich Manager dabei vor persönlicher Haftung absichern können, erläutert Dietrich Stöhr, der als Syndikusanwalt bei dem Versicherungsmakler ESTE GmbH (www.estegroup.de.de) auf Transfer derartiger Risiken spezialisiert ist.
Herr Stöhr, welche Risiken spielen bei M&A-Transaktionen typischerweise eine Rolle?
Stöhr: In einem Asset oder Share-Deal werden i.d.R. vom Verkäufer und vom Management Garantien (Warranties) zum Unternehmen oder dem Vermögensgegenstand abgegeben (z.B. Richtigkeit der Bilanz, Anzahl Mitarbeiter, Patent- & Markenrechte). Entsprechend kann es zu Garantieverletzungen aus fehlerhaften Finanzinformationen, nicht offengelegten Rechtsverfahren, Verletzung geistigen Eigentums, Steuernachforderungen, etc. kommen.
Bestandteil von Unternehmenstransaktionen sind oft auch vertragliche Versprechen des Verkäufers, den Käufer zu entschädigen, sollte sich eine ungeahnte Haftungssituation einstellen (z.B. plötzlicher Abbruch einer wichtigen Geschäftsbeziehung). Der Transfer eines solchen Versprechens fällt unter den Begriff „Indemnity“. Im Rahmen von Private Equity-Transaktionen werden überwiegend Käufer-Policen abgeschlossen, um die Garantiehaftung des Verkäufers nach dem Unternehmenskaufvertrag (Share Purchase Agreement, SPA) möglichst gering zu halten und auch um einen Kaufpreiseinbehalt für die Absicherung von Garantieverletzungen (Escrow) auf einem Treuhandkonto zu vermeiden („Clean Exit“).
Wie lassen sich diese Risiken durch eine Versicherung eindämmen?
Stöhr: Mittels einer M&A-Gewährleistungsversicherung, bekannt auch unter der Bezeichnung Warranty & Indemnity (W&I) oder Representations & Warranties (R&W) Insurance, sichert man sich gegen Schäden im Zusammenhang mit einer Verletzung einer vom Verkäufer im SPA abgegebenen Garantie oder Freistellungsverpflichtung ab.
Wer kann oder wer sollte eine solche Versicherung abschließen?
Stöhr: Die Gewährleistungsversicherung kann sowohl vom Verkäufer (Seller Police) wie auch vom Käufer (Buyer Police) abgeschlossen werden. Seit einiger Zeit findet sich eine Mischform mit dem sog. Seller-Buyer-Flip. Der Verkäufer initiiert die W&I-Versicherung, der Käufer wird aber letztendlich Versicherungsnehmer. Bei der Verkäufer-Police macht der Käufer seine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend; dieser leitet sie an seine Versicherung weiter. Es handelt sich dem Charakter nach um eine Haftpflichtversicherung. Bei der Käufer-Police macht der Käufer den Anspruch unmittelbar gegen die Versicherung geltend. Hierbei handelt es sich dem Charakter nach um eine (Eigen-) Schadensversicherung. Dadurch, dass es sich eben nicht um eine Haftpflichtpolice handelt, ist entgegen § 103 VVG auch Versicherungsschutz bei Arglist und Vorsatz des Verkäufers gegeben. Durch den Direktanspruch gegen den Versicherer und auch den Schutz im Falle von Arglist oder Vorsatz, können diesbzgl. Rechtsstreitigkeiten zwischen Verkäufer und Käufer vermieden werden.
Worauf sollten die Beteiligten in versicherungsrechtlicher Hinsicht generell achten?
Stöhr: Es ist empfehlenswert, das Thema Regressverzicht im Sinne von § 86 VVG bei Käuferpolicen zu regeln. Andernfalls könnte sich der Versicherer Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers (Käufer) gegen ein Dritten (Verkäufer) generell abtreten lassen. Eine Beschränkung der Regressmöglichkeit auf Vorsatz oder arglistige Täuschung des Verkäufers ist interessensgerecht.
Was genau deckt eine solche W&I-Versicherung ab und für welchen Zeitraum?
Stöhr: Versicherbar sind hauptsächlich unbekannte, durch Garantieversprechen abgedeckte Risiken. Neben den bereits genannten Risiken, die man generell durch eine M&A-Versicherung abdecken kann, gibt es zudem besondere Ausprägungen (Unterformen) für bekannte Risiken:
• Tax Indemnity Insurance
− Absicherung gegen bekannte, aber noch nicht quantifizierbare Steuereffekte
• Litigation Buy-out Insurance
− Absicherung gegen anhängige oder drohende Rechtsstreitigkeiten.
• Environmental Insurance
− Absicherung gegen bekannte, aber noch nicht quantifizierbare Umweltrisiken (Altlasten)
• Special Situation Insurance
− Absicherung gegen bekannte, bereits im Vorfeld identifizierte Risiken (z.B. Politische Risiken, IP-Risiken)
Die unterschiedlichen Laufzeiten der Garantien im Kaufvertrag werden im Versicherungsvertrag berücksichtigt. Je nach Art der Garantie liegen die möglichen Gewährleistungsfristen in der Regel zwischen 3 und 5 Jahren; bei Steuergarantien sind auch 7 bis 10 Jahre möglich. Die Gewährleistungsfristen können über die W&I-Versicherung auch verlängert werden. Darüber hinaus kann es hinsichtlich der Themen Selbstbehalt (Threshold/Basket), Bagatellgrenze (de minimis) und Haftungshöchstgrenze (Cap) mitunter im Interesse des Käufers liegen, im Versicherungsvertrag Vereinbarungen zu treffen, die weiter als die Regelungen im SPA sind.
Welche Risiken werden nicht durch die W&I-Versicherung abgedeckt?
Stöhr: Eine W&I-Versicherung deckt ausschließlich unbekannte Risiken. Bekannte und offengelegte Risiken (Due Diligence/Datenraum) fallen in der Regel damit raus. Etwas anderes gilt dann und in diesem Fall ist Versicherungsschutz ist möglich, wenn Risiken zwar als solche bekannt, sie aber hinsichtlich ihres Eintrittszeitpunktes oder ihrer finalen Höhe noch unklar sind. Ausgeschlossen sind daher in der Regel:
- Zukunftsorientierte Garantien (Erreichen von Budget-/Umsatzzahlen, etc.)
- Kaufpreisanpassungen und Leakage
- Unzureichende Pensionsrückstellungen
- Garantien, bei deren Verletzung anderweitiger Versicherungsschutz besteht (z.B. Produkthaftpflicht, Umwelt, Bürgschaften, etc.)
- Geldstrafen, Geldbußen oder Sanktionen
- Secondary Tax und Transfer Pricing (momentan öffnet sich der Versicherungsmarkt diesbezüglich)
- Indirekte Steuerhaftung
- Branchenspezifische Risiken, wie z.B. Asbestrisiken oder Beschaffenheit von Gebäudesubstanz bei Immobilientransaktionen
Früher hieß es oft, dass eine Transaktionsversicherung den Prozess verlangsame. Ist das noch immer so?
Stöhr: Die erste Kontaktaufnahme erfolgt meist über einen spezialisierten Broker, der kurzfristig eine erste grobe Einschätzung geben kann. Mit weiteren Unterlagen (Entwurf des Kaufvertrages, Due Diligence Reports, Jahresabschlüsse, Informationsmemorandum) holt der Broker Indikationen von passenden Versicherern (sog. Non-Binding Indications /NBIs) ein.
Der ausgewählte Versicherer geht anschließend in die „Tiefenprüfung″ (Underwriting); hierzu bedient sich der Versicherer regelmäßig auch externer Hilfe durch Anwälte. Erst nach der Entscheidung für eine W&I-Versicherung und in der Regel auch für einen Versicherer wird dem Versicherer der Zugang zu den Due Dilligence-Reports eröffnet und die Versicherungspolice verhandelt. Auch erst zu diesem Zeitpunkt kann eine Front-Up-Fee für das Underwriting fällig werden, die die Ausgaben des Versicherers für die umfangreiche Risikoprüfung abdecken soll. Gelegentlich verzichtet der Versicherer sogar auf eine Fee. Die meisten Versicherungen stehen innerhalb von 10 bis 14 Werktagen. Hier hat sich der Underwriting-Prozess mit Blick auf die letzten Jahre deutlich verschlankt und ist auch insgesamt schneller geworden. Eine W&I-Versicherung kann auch nach Closing abgeschlossen werden.
Wie sieht es mit den Kosten für W&I-Versicherungen aus: sind die nicht extrem teuer?
Stöhr: Bei der Versicherungsprämie für eine M&A-Versicherung handelt es sich um eine Einmalprämie für die gesamte Policenlaufzeit (bis zu 10 Jahre). Die Prämie ist zahlbar ab Policenbeginn, i.d.R. ab Signing (Tag der Unterzeichnung des Kaufvertrags). Im Laufe der letzten Jahre sanken die Versicherungsprämien für M&A-Versicherungen kontinuierlich.
Zur Zeit gelten für die Prämie folgende grobe Kalkulationsgrundlagen:
0,8% – 1,4% der Deckungssumme bei “klassischen“ Unternehmenstransaktionen
0,5% – 1,0% der Deckungssumme bei Immobilientransaktionen
Als Anhaltspunkt: Bei einer Käufer-Police bewegt sich die Deckungssumme zwischen 10% und 50% des Transaktionsvolumens; bei einer Verkäufer-Police macht eine Deckungssumme bis maximal zur Haftungshöchstgrenze des Verkäufers im Kaufvertrag Sinn.
Gibt es noch weitere Kosten, die für W&I-Versicherungen anfallen? Und wie sieht es mit dem Selbstbehalt aus?
Stöhr: Oft wird auch eine Underwriting-Fee fällig, sobald der Versicherer über seine Anwälte die Unterlagen aus dem Datenraum sichtet. Eine Verrechnung mit der Versicherungsprämie bei Zustandekommen des Versicherungsvertrages ist möglich. Der Selbstbehalt liegt üblicherweise zwischen 0,25% und 1,0% vom Transaktionsvolumen. Bei Immobilientransaktionen kann öfter sogar ein Selbstbehalt komplett vermieden werden.
Deckt die W&I-Versicherung auch das persönliche Haftungsrisiko der beteiligten Geschäftsführer ab oder was sollten diese tun, um sich abzusichern?
Stöhr: M&A-Versicherungen decken zwar die Haftung aus den Garantien oder Freistellungserklärungen ab, aber nicht sämtliche Haftungsrisiken für Geschäftsführer, die im Rahmen einer Transaktion auftreten. Hier sollte dann die D&O-Versicherung die unternehmerische Entscheidung eines Deals (das „Ob“) absichern. Aber auch das „Wie“ dürfte vielfach in den Deckungsumfang einer D&O-Versicherung fallen. Auf der Käuferseite könnten insbesondere haftungsrechtliche Fragen nach einer ordnungsgemäßen Due Diligence bei der Zielgesellschaft, der Beteiligung der Gesellschafter oder des Aufsichtsrats, der vorgenommenen Vertragsgestaltung, Prüfungen im Rahmen der Post Merger-Phase oder einzuhaltenden Mitteilungspflichten auftauchen. Für die Verkäuferseite ist regelmäßig von Interesse, ob der Verkauf mit dem „besten“ Bieter abgeschlossen wurde oder ob Garantien fehlerhaft abgegeben wurden.
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Marktausblick:
D&O-Versicherung
Der Bestand einiger D&O-Versicherer ist schadenbedingt immer noch defizitär. Eine Verschärfung wie in den Vorjahren durch Prämienerhöhungen, Verringerung der Versicherungssummen und Verengung der Versicherungsbedingungen) ist nicht mehr zu erwarten.
Cyber-Versicherung
Durch die Vielzahl von Cyberattacken und IT-Systemverletzungen verzeichnen die Cyber-Versicherer zur Zeit vor allem Betriebsunterbrechungsschäden. Die Fragebögen zum Abschluss einer Cyberversicherung werden immer umfangreicher. Hier besteht die zunehmende Gefahr für Versicherungsnehmer, Anzeigeobliegenheiten zu verletzen.
Autor des Artikels ist Dietrich Stöhr, der als Syndikusanwalt bei dem Versicherungsmakler ESTE GmbH (www.estegroup.de) tätig ist.