Der Begriff des „ausländischen Agenten“ wurde 2012 durch das föderale Gesetz vom 12. Januar 1996 Nr. 7-FZ „Über nichtkommerzielle Organisationen“ (FZ „Über NKOs“) eingeführt. Nach der offiziellen Klarstellung des Gesetzgebers wurde dieser Begriff eingeführt, um die Sicherheit der Russischen Föderation zu stärken und ihre Souveränität zu schützen sowie die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates zu verhindern.
Im weitesten Sinne wird der Begriff des „ausländischen Agenten“ in der Regel auf ausländische Staatsbürger angewandt, die Interessen eines anderen Staates im Land vertreten. Lt. FZ „Über NKOs“ gilt aber jede russische nichtkommerzielle Organisation, die sich an politischer Tätigkeit in Russland beteiligt und dabei von ausländischen Organisationen oder Staatsangehörigen Finanzierung oder Vermögenswerte erhält, als ausländischer Agent.
Heute kann auch ein ausländisches Massenmedium, nicht eingetragener öffentlicher Verein oder ein russischer Staatsangehöriger, der sich in Russland an politischen Aktivitäten beteiligt und Geldmittel aus dem Ausland erhält, als ausländischer Agent bezeichnet werden.
Politische Aktivitäten können unterschiedliche Formen haben, zum Beispiel Teilnahme an Kundgebungen und Debatten, Teilnahme an Wahlen, Einflussnahme auf die Tätigkeit der staatlichen Behörden, Bildung von gesellschaftspolitischen Sichtweisen, Vorstellungen und Überzeugungen. Dabei sind die Tätigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Kultur, Gesundheit sowie die soziale und karitative Tätigkeit nicht politisch.
Wie man sehen kann, sind die Formulierungen der Arten politischer Tätigkeit eher vage, weshalb eine Vielzahl von Personen als ausländische Agenten anerkannt werden kann. Dies birgt Risiken für viele russische NKOs und Staatsangehörige, die selbst minimale Finanzierung aus dem Ausland erhalten. Potenziell können sie sogar für die Beiträge in sozialen Netzwerken, die Veröffentlichung von Videos und fachlichen Kommentaren zum gesellschaftspolitischen Leben im Land als ausländische Agenten eingestuft werden.
Jede nichtkommerzielle Organisation, die Funktionen eines ausländischen Agenten wahrnehmen wird, muss sofort nach der Registrierung einen Antrag auf Aufnahme in das entsprechende Register beim Justizministerium der Russischen Föderation stellen.
Die für ausländische Agenten erklärten NKOs müssen Reihe spezifischer Pflichten erfüllen: Pflichtprüfung der Jahresabschlüsse, getrennte Erfassung der Einkünfte aus ausländischen Quellen, Vorlage der Geschäftsberichte und Berichte über die Nutzung des Vermögens beim Justizministerium sowie die Veröffentlichung solcher Berichte in den Massenmedien oder im Internet und andere mehr. Darüber hinaus müssen diese Organisationen bei der öffentlichen Bekanntmachung von Materialien angeben, dass diese Materialien von einem ausländischen Agenten veröffentlicht und/oder verbreitet werden.
Als ausländische Agenten anerkannte Staatsangehörige sind zudem verpflichtet, ihre Aufnahme ins Register anzuzeigen und danach halbjährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit und die Verwendung ausländischer Mittel vorzulegen. Solche Bürger dürfen keine Ämter im Staats- und Gemeindedienst bekleiden und keinen Zugriff auf Staatsgeheimnisse haben. Informationen, die sie verbreiten, auch durch Massenmedien, sind mit einem speziellen Vermerk zu kennzeichnen (Hinweis auf den Status des ausländischen Agenten).
Für die Verletzung der aufgeführten Pflichten ist eine verwaltungsrechtliche und sogar strafrechtliche Haftung vorgesehen, unter anderem für das Unterlassen des Antrags auf die freiwillige Aufnahme in das Register ausländischer Agenten sowie für die fehlende Kennzeichnung der veröffentlichten Materialien.
Während des Bestehens des Status des ausländischen Agenten in der Russischen Föderation konnten einige im Register enthaltene nichtkommerzielle Organisationen die neuen Bedingungen nicht überstehen und mussten ihre Tätigkeit nach den zahlreichen Strafen und Prüfungen beenden. Laut Amnesty International mussten allein in den ersten vier Jahren 27 von 148 als ausländische Agenten anerkannten Organisationen ihre Arbeit einstellen.
Das letzte Mal wurden die entsprechenden Register des Justizministeriums Ende September aktualisiert. Insbesondere wurden die mit Alexei Nawalny verbundenen „Fonds für Korruptionsbekämpfung“ und „Fonds zum Schutz der Bürgerrechte“ (als extremistisch anerkannt und liquidiert) von der Liste gestrichen und zwei neue NKOs hinzugefügt. In die Liste der Massenmedien, die als ausländische Agenten eingestuft wurden, mit bereits bekannten Beteiligten wie das Internetmedium „Meduza“ und der Fernsehsender „Doschd“ wurde nun auch die Menschenrechtsorganisation „Zona Prava“ aufgenommen (sie hilft Opfern von Foltern in der Polizei und den Einrichtungen des Föderalen Dienstes für Strafvollzug (FSIN) und bei der Schikanierung in der Armee).